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Abschnitt 25


--,,Was anderes ... Habt ihr eigentlich Tennis gespielt?'', fragte er. Interessierte es ihn wirklich oder wollte er nur von der unglÜckseligen Pralinengeschichte abzulenken? Oh nein, das hätte er besser nicht gefragt, dachte er. Damit hatte er doch wieder ein Reizthema angeschnitten. Hatte er damit nicht automatisch wieder an den Streit vor der Abreise angeknüpft? Als sie so maßlos enttäuscht war, weil sie extra einen Babysitter besorgt hatte, damit sie zusammen zum Tennis gehen könnten. Sie hätte sich so gefreut, mal wieder zusammen mit ihm spielen zu können. Was wäre, wenn wegen seinem Fehlen nun der ganzen Termin ausgefallen war, wenn auch Moni und Chris nicht gekonnt hatten. Einer von beiden würde bestimmt Zeit gehabt haben. Wenn nicht, dann wäre sie von neuem oder noch mehr sauer auf ihn wegen dem Seminar. War es ein gutes Zeichen, daß sie nicht sofort antwortete, oder sammelte sie sich zum Angriff?

Wie sollte sie es am besten darstellen, dachte Vera. Wieso interessierte der sich plötzlich für ihr Tennisspiel? Hatte er schon etwas gehört? Sie mußte ihre Worte sorgfältig wählen, denn alles sollte ja völlig unverfänglich wirken, daß es wirklich wie eine Kette von Zufällen erschien. So wie sie es ja auch geplant hatten.

--,,Wir waren übrigens diesmal zu viert!''

--,,Oh fein, ... hat Chris jemanden mitgebracht?''

--,,Nein, das war wirklich komisch. ... Der war plötzlich aufgetaucht und fragte, ob er mitspielen könnte.''

--,,Wer? Chris?''

--,,Nein, unser vierter Mann!''

--,,Das gibt's doch nicht. Normalerweise geht doch niemand alleine zum Tennisplatz, ohne einen Spielpartner zu haben ... und fragt dort irgendwelche x-beliebigen Leute, ob er mal mitspielen könnte.''

Wußte er mehr? Nein, das ist doch nur seine normale Art, erst mal allem zu widersprechen, was ich meine! Oder diesmal nicht? Okay, sie mußte weitermachen. Sie durfte sich nicht ins Boxhorn jagen lassen, dachte sie.

--,,Er hat uns erzählt, daß er mit seinem Freund zum Spielen verabredet war, aber der war nicht gekommen. ... Naja, und da hat er gesehen, daß wir zu dritt waren ... ah ... und ich glaube, daß er auch noch mitbekommen hatte, wie ich zu Chris und Moni gesagt habe, daß es ja zu dritt irgendwie blöd sei, aber es sei ja nichts zu machen. Du hättest halt weg gemußt. Tja, und da kam er und fragte ob wir es nicht mal mit ihm versuchen wollten. ''

Warum schaute Felix plötzlich so merkwürdig? Glaubte er ihr nicht? Der mußte ihr doch glauben. Sie hatte es ja selbst fast geglaubt, als sie es ihm so belanglos erzählt hatte. Den kritischen Punkt hatte er ja nicht mitbekommen. Gottseidank nicht. Eines hatten sie vergessen, Francois und sie, als sie den Plan geschmiedet hatten. Was wäre, wenn alle Plätze belegt waren. Daran hatten sie nicht gedacht. Moni war es aber aufgefallen. Nach dem Spiel fragte sie, wo Francois mit seinem Freund eigentlich hätte spielen wollen. Alle Plätze seinen doch belegt gewesen. Francois war genausowenig wie sie auf diese Frage vorbereitet gewesen. Aber dann war seine Antwort, doch gar nicht so schlecht gewesen. Sein Freund hätte alles arrangiert, sie hätten ja heute zum ersten Mal auf dieser Anlage spielen wollen. Er sagte, daß er sich auch wundere, vielleicht habe der Freund einen Fehler gemacht, oder sie hätten vergessen, die Reservierung vorzunehmen. Chris hatte dann sogar die beste Idee:

--,,Wahrscheinlich hast du dich im Tag geirrt. Sicherlich habt ihr einen ganz anderen Tag ausgemacht!''

Vera war erleichtert und Francois griff diesen Einfall begeistert auf. Vielleicht hätte er sonst sich bemüht ein eigenes Verschulden von sich zu weisen, aber unter diesen Umständen beeilte er sich, sich selbst zu bezichtigen. In vielen witzigen Anekdoten stellte er sich als eine Art zerstreuter Professor dar. Manchmal höre er den Leuten einfach nicht richtig zu, und dann dürfe man sich halt nicht wundern, wenn so was passiert.

Diese Geschichten waren wahr, da war sie sich sicher. Francois brauchte wohl nicht lange in seinen Erinnerungen zu wühlen. Bisher hatte sie ihn ja nur so erlebt. Im Prinzip hätte sie ihn nie kennengelernt, wenn er anders wäre. Ihre Bekanntschaft war gegründet und modelliert von seiner besonderen Wesensart. Er war es doch, der sich ohne umzuschauen vor dem Müsliregal ruckartig umgedreht hatte und losrennen wollte. Und in der Caféteria. Zweimal hatte die Kassiererin ihm den Betrag genannt bevor er seine Brieftasche nahm und dann nach Geld suchte, als wäre sie ihm völlig fremd, als hätte er sie gerade vorher gefunden oder gestohlen. Nein, nicht gestohlen, das hätte nicht zu ihm gepaßt. Seine autobiographischen Anekdoten waren die Wirklichkeit, sie waren keine Fiktion. Und sie mochte ihn, trotz seiner Zerstreutheit. Wegen ihr, korrigierte sie sich. Früher wäre sie entsetzt gewesen. Aber nachdem sie so lange Zeit mit Felix verheiratet war, war sie anders. Jahre in seiner total kalkulierten und geplanten Welt, die er mit der gnadenlosen Pedanterie eines Ingenieurs aus Leidenschaft über sie stülpte, machten sie reif fürs Unberechenbare. Sie war bereit fürs Chaos. Francois lebte in einer anderen Dimension, eine die für Felix lebensfeindlich wäre. Keine-Macht-dem-Zufall war die Maxime von Felix, alles mußte geplant sein, seinen Wünschen gehorchen. Alles das, was sich seinem Lenken entzog machte ihn unruhig, mußte er ändern. Deshalb zieht's ihn ja auch immer höher, keinen Chef über sich zu haben war sein Traum, und er verdrängte es, daß ihm noch nicht einmal die eigene Verdauung gehorchte. Francois läßt sein Boot im Wind treiben, nimmt das Steuer in die Hand, wenn es ihm Spaß macht.

--,,Da habt ihr mich ja nicht vermißt!'', sagte Felix scherzend.

Das schlechte Gewissen war es also gewesen, weshalb er so grübelnd ausgesehen hatte, dachte Vera. Er hatte ihr die Geschichte abgekauft, und er schien sogar erleichtert zu sein, daß Francois aufgetaucht war. Wollte Felix nicht mehr über den vierten Mann wissen? Er mußte doch neugierig sein? Vielleicht auch ein wenig eifersüchtig?

--,,Wo liegt die Zeitung vom Wochenende?''

Die verdammte Zeitung ist dem wichtiger.

--,,Francois spielte übrigens besser Tennis als du!'', sagte Vera, wie beiläufig, aber sie wußte, daß ihn dies treffen würde. Er war ja gar nicht viel besser, aber er spielte mit mehr Teamgeist, er war rücksichtsvoller. Das war es, was sie an Francois so begeistert hatte.

--,,So? ... Dann braucht ihr mich ja gar nicht mehr!'', sagte Felix voller Sarkasmus.

Wenn sie ihm noch sagte, was Chris scherzend nach dem Tennis beim gemeinsamen Bier gesagt hatte, wäre er vollends sauer. Nach fast sieben Jahren spielten sie nun gegen ein neues Team, zuerst habe Felix seine damalige Freundin gegen Vera ausgetauscht, und nun habe sie Felix gegen Francois ausgetauscht. Alle lachten, und sie hatte gespürt, wie ihr das Blut in den Kopf stieg.

--,,Kennst du nicht einen der Tennis spielt?'', hatte sie Francois in der Kaufhauscafeteria gefragt, als sie sich zum zweiten Mal dort getroffen hatten. Fast zufällig, denn sie hatten sich, nicht verabredet gehabt, aber sie war gekommen in der Hoffnung, daß auch er erscheinen würde. Sie hatte ihm ihr Leid geklagt hatte, daß bei Felix immer die Firma an erster Stelle stehe. Alle seine Dienstreisen, seine Abende in der Firma, bei Geschäftsessen, Schulungswochenenden, und schon wieder sei er weg. An diesem Nachmittag müßten sie wiedermals zu dritt Tennis spielen, weil Felix schon wieder auf Gescháftsreise sei. Zu dritt sei zwar bedeutend besser als gar nicht, aber, wenn sie mal ein richtiges Spiel machen wollten, müßte immer einer aussetzen, was natürlich nicht soviel Spaß machte. Es wäre sehr unklug von ihrem Mann, eine so attraktive Frau soviel alleine zu lasse, hatte er gesagt. Große Übung hatte er nicht im Komplimente verteilen, denn er errötete sofort, wie auch sie.

--..Ich spiele auch Tennis, aber wahrscheinlich nicht gut genug für euch!'', hatte Francois ihr geantwortet.

Vera beteuerte immer wieder und in vielen Worten, wie schlecht sie eigentlich alle wären, und daß sie eher nicht gut genug für ihn seien als umgekehrt.

Ein Problem gäbe es jedoch noch, hatte er gesagt, als er schon zugestimmt hatte. Denn er wüßte nicht, wo er einen Schläger auftreiben könne. Sein Schläger sei zu Hause, und das sei in Frankreich. Zu erst erschrak sie, sie hatte nur so gefragt, ohne es wirklich zu wollen. Und jetzt traute sie sich nicht, ihm zu sagen, daß sie es nicht ernst gemeint habe. Aber gleichzeitig spürte sie auch, daß sie wollte, daß er mit ginge, trotz aller Probleme, die es mit sich zöge. Ja so ginge es, dachte sie plötzlich. Er müsse einfach so auftauchen, müsse hören können, wie sie sich bei Chris und Moni beklagt, daß sie nur zu dritt spielen können, und dann.

--,,Aber das Problem mit dem Schláger besteht dann immer noch!''

Aber nein doch, sie könnte den Schläger von Felix mitnehmen, könnte sagen, daß sie vergessen habe ihn auszuräumen.

--,,Warum sagen wir nicht einfach, wie es ist? Daß du mich in der Cafeteria getroffen hast, und wir zufällig ins Gespräch gekommen sind, und ... ''

--,,Nein, das geht nicht!''

Warum eigentlich nicht, dachte sie. Sie hatten doch keine Affaire, nichts war zwischen ihnen vorgefallen, was sie Felix nicht hätte sagen können. Doch etwas gab es: die Augen!



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