Bald müßten sie wirklich gehen, dachte Felix, als die Bedienung müde lächelnd die bestellten Getränke abstellte. Ein Bier für ihn und ein Viertel Wein für Wiedenkamp, der zur Toilette gegangen war. Würde sie ihn nicht kennen, wüßte sie nicht, daß er ständig Gäste bringt, und vor allem, wüßte sie nicht, daß er an wichtiger Stelle bei der KMG arbeitete, sie hätte sie bestimmt schon längst, freundlich aber bestimmt gebeten das Lokal zu verlassen.
Aber Felix Gedanken weilen wieder in Mohlers gigantischem Direktionsraum. Wer nichts wagt, gewinnt nichts, zwinkert ihm der bronzene Siegfried Mohler zu. Wie hätte ich sonst eine solche Firma schaffen können, war die Botschaft des legendären Firmengründers. Jetzt ging es doch nur um den Donnerstag. Einfach verschieben oder auf Malter abwälzen. Dem macht doch sowas immer Spaß, hatte Felix gedacht.
--,,Aber ich denke, Dr. Malter sollte doch auf jeden Fall mit ... '', startete er vergeblich ein Rettungsmanöver.
--,,Nein, keinesfalls mit Malter. Sie haben mich nicht richtig verstanden ...'', sagte Mohler ungeduldig.
`Wundert dich das?', lästerte sein Großvater, aber Norbert Mohler ignorierte ihn nur und fuhr fort: ,,Ich werde Malter das klarmachen. Ich hatte an sie und Wiedenkamp gedacht!''
--,,Dr. Wiedenkamp?'', hatte Felix völlig überrascht gefragt, ,,Ich dachte immer ... ''.
Felix wunderte sich, denn Mohler hatte sich schon des öfteren in seiner Gegenwart verächtlich über Wiedenkamp geäußert.
--,,Ich finde, wir sollten uns mal ein wenig mehr um ihn kümmern. Wir brauchen ihn! Wenn der jetzt verrückt spielt, ... Reden sie mal ein wenig mit ihm, und versuchen sie rauszukriegen, was mit ihm los ist. Ich habe das Gefühl, das der in letzter Zeit ...sagen wir ...Motivationsprobleme hat. In angenehmer Atmosphäre wird er bestimmt gesprächig. Also, was halten sie von der Krone? Die wird unseren Gästen bestimmt zusagen!''
Mohler hatte siegessicher hinter seinem gigantischen Schreibtisch gelächelt, und hatte seine Unterschriftenmappe wieder aufgeklappt, schwang seinen silbernen Kugelschreiber. Wohl ein Signal an Felix, und Felix verstand es. Er könne nun gehen, denn Mohler betrachtete die Sache nun als erledigt. Seine Audienz war beendet. War das nicht ein Denunziantenjob, hatte Felix gedacht. Rauskriegen, was mit ihm los ist, und dann, alles Mohler erzählen. Nein, nicht mit ihm, aber er könnte ja so tun, als spiele er mit. Aber obwohl ihm der Termin so wenig behagte, wagte er es nicht, ihn nach einem anderen Termin zu fragen. Vor allem deshalb nicht, weil er selbst keinen Ausweichtermin nennen könnte. Einziger Ausweg, Malter mußte hin, dann bliebe sein Donnerstagabend frei für Vera.
--,,Aber die Gäste würden doch auch vielleicht viel lieber mit Malter, ich meine, die kennen ihn doch schließlich ...''
--,,Also nochmals: Sie und Wiedenkamp, und nicht Malter. Also: klären sie den Termin bitte mit Wiedenkamp!''
--,,Nein, danke! Langt's nicht, wenn Malter dabei ist?'', hatte Dr. Wiedenkamp unvermittelt und beinahe feindlich geantwortet, als Felix ihm die Einladung für den Donnerstagabend überbracht hatte. ,,Smalltalk ist doch das, was der am besten kann!''
--,,Dr. Malter wird gar nicht dabei sein! Er ist verhindert!''
Darauf hatte er sich mit Malter und Mohler geeinigt, zu sagen, daß er verhindert sei. Damit kein falscher Eindruck entstehe, hatte Mohler gesagt, Malter hatte eifrig genickt und Felix hatte sich gewundert.
--,,Ach so! Malter ist verhindert! -- Dann bin ich also so zu sagen der Lückenbüßer!''
--,,Ne, absolut nicht, da haben ...'', beinahe wäre ihm das `wir' rausgerutscht, ,,ich meine, ich hatte eigentlich sofort an sie gedacht, aber mußte ja Malter zuerst fragen. Sie verstehen? Schließlich ist er ja der offizielle Projektleiter!''
--,,Im Prinzip paßt es mir aber nicht in den Kram, denn ich habe ja noch so viel zu tun. Wann soll denn dieses Essen überhaupt stattfinden?''
Er hatte es geschluckt, hatte keinen Verdacht geschöpft und er würde zusagen. Felix war sich sicher. Wiedenkamps `Im Prinzip' hatte nach einer Kapitualtion geklungen.
Dr. Wiedenkamp ist bekannt dafür, daß er sehr kritsch und zuweilen sarkastisch in Besprechungen werden kann. Er konnte zuweilen auch schon mal unangenehm werden, aber, was Felix in einigen Besprechungen erlebt hatte, hatte wenig mit Sarkasmus oder Kritik gemein. Der blanke unverhohlene Haß und seine Geringschätzung gegenüber Malter brach da durch.