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Abschnitt 31


Langsam senkte sich die Türklinge, kein Quietschen, kein Knacken, außer Felix sieht es keiner. Dr. Malter hatte innerhalb weniger Minuten wieder in seine gespielte und unmenschliche Freundlichkeit zurückgefunden. Aber Wangen, Hals und Ohren im leuchtenden Rot der Mandrillaffen zeugten noch von dem Kampf seiner Gefühle, und vor allem davon, daß er zu Emotionen fähig ist. Das konnte doch nicht Wiedenkamp sein, das wäre doch überhaupt nicht seine Art, so vorsichtig und behutsam, gewissermaßen ängstlich, die Türe zu öffnen. Reumütig käme er zurück.

Nein, er war es nicht: Braggards Sekretärin öffnete die Türe des Besprechungszimmer im Zeitlupentempo. Bloß keinen unnötigen Lärm machen! Keinesfalls wollte sie die Herren unnötig bei ihrer ihr doch so wichtig Arbeit stören. Ein großer Teil ihrer täglichen Tätigkeiten bestand ja darin für den reibungslosen Ablauf von Besprechungen zu sorgen. Es war eine Kunst, die vielen Besprechungen auf die wenigen zur Verfügung stehenden Räume zu verteilen. Aber noch schwieriger war es mit den Besprechungsprofis, also denen, die ihre Arbeitszeit fast gänzlich in, -- wie diese es selbst lieber nennen, -- Meetings zubringen, einen gemeinsam zur Verfügung stehenden freien Termin zu finden. Und wenn sie dann endlich einen Termin gefunden hat, an dem Herr X, Herr Y und Frau Z könnten, findet sie keinen freien Raum. Da war es klar, daß sie nur höchst wiederwillig eine Besprechung störte.

Eigentlich wollte sie ja nur Felix winken, daß er mal kurz rauskäme. So, daß die anderen nichts mitbekämen, aber leider war Felix der einzige, der es nicht mitbekam. Kaum hatte er erkannt, daß es sich um Frau Holger handelte, wandte er sich von dem Geschehen in der Türe ab und beschäftigte sich wieder mit seinen Unterlagen. Die anderen mußten ihn erst aufmerksam machen, und es war das eingetreten, was Frau Holger hatte vermeiden wollen. Ihr Erscheinen hatte zu einer Unterbrechung geführt.

Erst als er mit ihr auf dem Flur stand, und die Türe wieder geschlossen war begann sie zu reden, flüsternd, so als befände sie sich immer noch in dem Besprechungsraum, und die anderen könnten sie hören.

--,,Tut mir schrecklich leid, daß ich sie stören mußte, aber sie sagt es sei wichtig. Sie hatte schon vor einer Stunde angerufen, und da hatte ich ihr gesagt, sie solle jetzt mal wieder, denn eigentlich sollte die Besprechung ja jetzt ... '', sagte sie, während sie ihm gestikulierte, ihr schnell zu folgen.

Vera! Was war passiert? Gut wenn sie ja noch selbst anrief? Vielleicht die Kinder? 'Komm, mach' dich nicht verrückt!', beruhigte er sich, denn sie hatte ja solche dringlichen Anrufe schon öfter gemacht, und jedesmal, waren Bagatellen die Gründe. Jedesmal hatte sie die Sekretärin notfalls durchs ganze Haus gejagt, um ihn zu finden.

--,,Hallo! Ich war mitten in einer Besprechung ...'', seine Stimme klang etwas genervt.

--,,Dominique hier!''

--,,Oh, ... ich ... ich wußte ja nicht ... ''

--,,Hättest du mich dann freundlicher begrüßt? Du dachtest wohl deine Frau sei am Hörer'', und er hörte sie dann herzhaft lachen, bevor sie fortfuhr ,,weshalb ich anrufe: Hättest Du Lust mit mir zu dieser Vernissage zu gehen!''

--,,Ähm -- ja -- welche Vernissage meinst Du --''

--,,Die von unserer Firma gesponserte --''

--,,Ach so die! Klar! Da wollte ich sowieso hingehen! -- Wann war da noch mal der Termin?'', fragte er, als hätte er es schon mal gewußt.

Ja, ja, natürlich habe er dann Zeit, und er war sich später sicher, daß er wirklich nicht an Paris gedacht hatte. Ob er denn Bertram Wegner kenne, hatte sie ihn gefragt.

--,,Will der auch mitkommen?''

--,,Und ob!'', lachte sie. ,,Ohne den wird wohl nichts laufen!''

Verdammt nochmal der Künstler, wie hatte er sich nur so blamieren können. Mohlers Büro und der große Besprechungssaal hingen doch voll von seinen Bildern.

--,,Und dein Mann?''

--,,Um dessen Karte geht es ja. Der kann nicht!''

Nach ihrem Anruf in der Firma war ihm klar, was er die ganze Zeit seit dem Nachmittag in ihrem Garten, von sich gewiesen hatte, verdrängt hatte. Damals im Garten hatte sie ihn verzaubert. Irgendwie hatte er die ganze Zeit darauf gelauert, daß etwas passierte, daß seine Circe wieder auftauchte. Als er plötzlich ihre Stimme am Telefon hörte, stotterte er wie ein pubertierender Junge, und er hatte dieses typische Ziehen im Magen. Frau Holgers, sowie das ganze Sekretariat verschwanden plötzlich in einem dichten Glückseligkeitsnebel. Er konnte sich noch nicht einmal mehr erinnern, ob Frau Holger überhaupt im Raum gewesen war. Ohne auch nur einen Moment nachzudenken, hatte er zugesagt, obwohl ihn diese Vernissage gar nicht so interessiert hatte. Okay, Bertram Wegener war bekannt, weltbekannt, aber seine Gemälde, die es ja überall in der Firma gab, gefielen ihm nicht. Und überhaupt, für Kunst hatte er sowieso nichts übrig. Dennoch hatte eingewilligt mitzugehen, und außerdem wäre er an diesem Tag eigentlich auf Dienstreise, aber in Gedanken arbeitete er bereits an Begründungen, um den Termin zu verschieben. Seit er die Besprechung verlassen hatte schienen Jahre vergangen zu sein. Ja, er hatte sogar vergessen, daß er vorzeitig gegangen war. Er fühlte sich wie ein kleines Kind ein paar Tage vor Weihnachten.

--,,Tut mir wirklich leid, daß ich sie stören mußte, aber ... '', riß Frau Holger ihn aus seiner Vorweihnachtszeit.

Langsam begann sein Verstand wieder zu arbeiten. Schlagartig war ihm bewußt, daß er ja nach Paris müßte, genau an diesem Termin. Das würde nicht leicht sein diesen Termin zu verschieben, vor allem, da er ja nicht alleine fuhr, aber es mußte sein. Wenn er diese Gelegenheit nicht wahrnehme, so was würde sich ihm so schnell nicht wieder bieten. Warum hatte er bloß Vera schon von dieser Dienstreise erzählt. Die würde doch bestimmt sofort kappieren, warum er sie verschieben würde. Vielleicht hatte sie es ja auch schon wieder vergessen, hoffte er, vergeblich wie sich später herausstellte.

Woher wußte Vera plötzlich, daß Mohler nicht mitging. Oder hatte sie nur geblöfft, und er war darauf reingefallen. Woher hätte sie es auch wissen sollen. Auf einen plumpen Trick war er reingefallen.

--,,Wegen der verschiebst du deine Dienstreise. Plötzlich, kein Problem! Plötzlich ist das überhaupt kein Problem. Bei mir ist das ja was anderes, mich konntest du sogar mit einem neugeborenen Baby alleine lassen?''

--,,Aber du warst doch immer einverstanden. War doch immer mit dir abgesprochen! Habe doch alles nur mit deinem Einverständnis gemacht!''

--,,Wenn ich geahnt hätte, daß du mit einer x-beliebigen Frau ... ''

--,,Also ... Sie ist immerhin die Frau meines obersten Chefs und da kann man nicht so ohne Weiteres ...''

--,,Vor allem nicht, wenn sie so aussieht wie die und noch dazu scharf auf dich ist ... ''



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