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Abschnitt 36


--,,Wieder virenfrei?'', fragte Felix lachend den gerade von der Toilette zurückgekehrten Dr, Wiedenkamp.

--,,Vom Skake-hands, meine ich! -- Beim Verabschieden der Koreaner!'', ergänzte Felix, als er Wiedenkamps verdutztes Gesicht sah..

Nun mußte auch Wiedenkamp lachen, denn er verstand nun, worauf Felix anspielte, nämlich seine Anekdote über die Amerikaner, die er vor einer Stunde, als noch die Koreaner da waren, mit großem Lacherfolg zum Besten gegeben hatte. Sie war erprobt und hatte sich schon öfters bei Weihnachtsfeiern, Betriebsausflügen oder ähnlichen Veranstaltungen bewährt. Er fing immer mit Peters an, dem schnieken Herr vom Vertrieb, nun im Ruhestand. In den schönsten Bildern schilderte er seine Ordnungsliebe, und wie sehr er über die Etikette wachte. Ausgerechnet ihn, habe dieser Peters gebeten vor einer Horde von Yankees -- so'n Dutzend oder so -- eines Vortrag zu halten. Die Horde von Yankees hatte Lee zum Lachen gebracht, der Wiedenkamps Vorurteile gegenüber den Bewohnern der USA zu teilen schien.

--,,Wenn Peters mich richtig gekannt hätte, hätte er mich wohl kaum für diesen Vortrag ausgewählt. Später hat er mich niemals mehr zu so einer Veranstaltung geladen. Abneigung auf den ersten Blick. Ich hatte diesen Peters gesehen und mochte seine schleimige Art nicht. Dann fing er an, mich zu belehren, wie einen kleinen Jungen. `Ungewöhnliche Sitten hat der Amerikaner!', `Der Amerikaner mag dies!' und `Der Amerikaner mag dies nicht!'. Essen, Trinken, er wußte alles. `Und vor allen Dingen schütteln sie ihnen nicht die Hände, das irritiert sie!'. Ich weiß selbst nicht mehr, ob ich es extra getan habe, oder ob es nur die Macht der Gewohnheit war. Jedenfalls, alle waren schon im Raum, hatten nur auf mich gewartet, und einer von unseren Leuten hat mir zur Begrüßung seine Hand entgegengestreckt. Da habe ich halt weitergemacht. So ungefähr ein dutzend erstaunte Amerikaner, baff über das Eingeborenenritual. Und Peters sah aus als würde er gefoltert werden. Ihm habe ich sie besonders lange geschüttelt. Und dann, kurz nachdem ich mit meinem Vortrag setzte dann die Prozession ein. `The bathroom, please!', denn sie mußten ihre Hände nun dringend waschen, befreien von den Bakterien und Viren dieses europäischen Eingeborenen, der so gänzlich ungepflegt herumlief. Wahrscheinlich duschte er noch nicht mal zweimal täglich! Sie waren vorgewarnt, daß sie sich in Europa nach einem Toilettenbesuch mit Fingerwaschen begnügen müßten. `I am sorry, but we got only WC!', hab' ich zu ihnen gesagt, hab' ihnen dann aber doch den Weg zur Toilette gezeigt.''

Dann troschen sie Vorurteile über die Amis, zählten ihre merkwurdigen Gewohnheiten auf, ritten auf ihrer scheinbaren Kulturlosigkeit herum und schließlich reduzierten und kondensierten sie den amerikanischen Charakter auf Religion und Geld.

--,,Geld ist ihre Religion! Mamon regiert sie!'', faßte Wiedenkamp zusammen.

--,,Wissen Sie eigentlich was so ein Industriemagnat in den USA verdient?'', fragte Dr. Wiedenkamp wenig später, nachdem er noch einen Schluck Wein getrunken hatte und gab ihm auch sofort die Anwort: ,,Zwanzig, dreißig Millionen Mark. Können sie sich das vorstellen? Jeden Monat zwei Millionen Mark oder mehr! Das ist ungefähr tausendmal soviel wie ein einfacher Arbeiter! Können sie sich vorstellen, daß so ein Bonze auch tausendmal soviel leistet wie ein Arbeiter?''

Felix stimmte ihm zu, wenn auch etwas wiederwillig, denn es kam ihm nun so vor, als käme nun doch Wiedenkamps Herkunft durch. Als zeigte sich nun, daß er in einem kommunisten Regime groß geworden war. Es hatte sich doch gezeigt, daß es keine Alternative zu unserer leistungsorientierten Gesellschaft gibt, dachte Felix.

--,,Die ganze Wirtschaft: eine gigantische Lotterie. Nicht nur Börse oder so. Die Jobs, die sogenannte Karriere, jede Sprosse der Erfolgsleiter ein Gewinn und viele viele Verlierer, Nieten!''



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