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Abschnitt 19


Müde, sie war hundemüde, dachte sie, aber es würde nichts nützen. Sie spürte, daß sie nicht einschlafen könnte. Dann wären sie da, die Ängste. Sprießen würden sie aus all dem Schrecklichen, was sie an diesem Tag gesehen, gehört, gerochen und gefühlt hatte. Sie hatte gesehen, was sie nicht hatte sehen wollen, nicht verstanden, was sie hatte verstehen wollen. Nährboden für ihre Angst; sie würde gedeihen in der Dunkelheit und Stille des Schlafzimmers, kaum würde sie die Augen schließen. Angst vor dem Unvorstellbarem lauerte in ihrem Bett; Furcht vor Krankheit, Leid und Tod. Lieber wollte sie noch im hellen warmen Wohnzimmer Fernseh schauen, egal was, noch Zeitung lesen, am besten alles gleichzeitig, bloß nicht sich ihren Gedanken und Gefühlen überlassen. Wenn sie nur hätte mit Felix reden können. Aber der war ja gleich ins Bett gegangen. Typisch Felix, mit Problemen will er nichts zu tun haben. Vielleicht hätte sie auch nicht so hart mit ihm sein sollen, ein bißchen mehr Nachsicht. Nachsicht, aber das war ja das Problem, sie war immer viel zu nachsichtig, immer war sie es, die Verständnis zeigte. An diesem Tag hatte er es aber übertrieben, dachte sie. Er, der immer soviel Wert auf Verläßlichkeit legte, wenn es um seine Firma geht, hatte sein Versprechen nicht gehalten. Im Krankenhaus hätte er angerufen, und man habe ihm dort gesagt, daß sie schon unterwegs sei, hatte er ihr schmollend beteuert. Und wenn sie nicht direkt nach Hause gefahren wäre, wenn sie zum Beispiel noch mit Walter gegangen wäre, wenn sie noch etwas einkaufen gegangen wäre, wenn sie ein Panne mit dem Auto gehabt hätte, wer hätte die Kinder dann abgeholt? Hätte doch sein können, aber für ihn war das bloß irrational. Er tat so, als wäre ein fast ganz normaler Tag gewesen. Sie hatte einem Ausflug, nicht in den Zoo oder den Wildpark, sondern ins Krankenhaus.

--,,Na, wie geht's denn deiner Mutter?'', hatte er ganz beiläufig gefragt, als ihr Zorn wegen seines Zuspätkommens etwas verebbt war.

--,,Na, das ist doch schon mal was. Hört sich doch nicht schlecht an!'', kommentierte er dann ihre Antwort.

Hatte sie sich so undeutlich ausgedrückt gehabt? Sie hatte ihm doch gesagt, daß ihr Zustand äußerst schlecht sei. Hatte er denn nicht mitbekommen, daß sie ihm sagte, daß ihre den ganzen Tag nicht gesprochen habe, das sie komaähnlich schliefe? Sie selbst fühle sich ausgelaugt und kraftlos, das hatte sie ihm auch gesagt. All das hatte er wohl nicht zur Kenntnis genommen, oder wollte er nur nicht darauf eingehen? Aber daß der Doktor gesagt habe `Keine akute Lebensgefahr' und daß sie höchstwahrscheinlich keinen Hirnschlag habe, das hörte sich gut an für ihn. Wie in seinen Managementkursen: Konzentration auf die positiven Aspekte, keine Zeit vertrödeln mit Unabänderlichkeiten. Ihre Mutter war dabei seine Planung durcheinander zu bringen, und er wollte das nicht akzeptieren. Aber wenn er am nächsten Donnerstag wirklich nach Hamburg führe, wäre ihre Geduld am Ende.

--,,Du kannst mich doch nicht in dieser Situation alleine lassen!'', hatte Vera gesagt.

--,,Ich hoffe ja auch, daß ich die Sache noch verschieben kann, aber du weißt ja auch wie Mohler ... ''

--,,Ich weiß, wie du bist! Wenn du fährst, dann ... '', sie stockte, sie wußte nicht, was dann wäre.

--,,Jetzt stell dich doch nicht so an! Du warst doch schon öfter alleine gewesen!''

--,,Diesmal geht es nicht! Ich kann nicht alleine sein!''


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