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Abschnitt 50


Felix verglich ungeduldig und zum wiederholten Male die Anzeige seiner Armbanduhr mit der großen Wanduhr hinter dem Rednerpult. Auch in den letzten dreißig Sekunden hatte sich nichts daran geändert, daß beide Uhren die gleiche Zeit anzeigen. Zehn Minuten nach zehn. Für zehn war der offizielle Begin angesetzt, aber er konnte noch nicht anfangen, denn im Raum herrschte noch eine zu große Unruhe. Der größte Teil schien ja schon anwesend zu sein, aber einige hatten nochmals den Raum verlassen, um sich auf die Jagd nach Stühlen zu machen. Eigentlich hätten genügend Stühle vorhanden sein müssen. Die Hausverwaltung hatte ihm gesagt, daß der Raum über mindestens 50 Stühle verfüge. Da er insgesamt mit maximal 48 Leuten rechnete, wunderte es ihn nun, daß sich mindestens ein Dutzend auf die Suche nach Sitzgelegenheiten machten. Was ihn allerdings noch mehr wunderte war die Tatsache, daß er schon jetzt -- ohne die noch fehlenden Stuhljäger -- fast sechzig Anwesende zählte und ständig schienenn neue einzutrudeln. Schon wieder verließen ein paar den Raum, währen die ersten schon mit ihrer Beute zurückkamen. Unmöglich konnte er bei diesem Lärm und dieser Unruhe beginnen. Die lebhaften Unterhaltungen würden abklingen, sobald er begänne, aber die Geräusche verursacht durch das ständige Rücken der Tische und Stühle würde noch eine Weile weitergehen. Irgendwas mußte schief gelaufen sein bei den Einladungen. Hilfesuchend schaut er zu Dr, Malter, der schon neben Felix Platz genommen hatte. Als ob er seine Gedanken gelesen hätte, sagte sie:

--,,48 sind offiziell eingeladen. Ich frag' mich, wer da sonst noch alles da ist.''

--,,Wahrscheinlich war das Interesse an dieser Veranstaltung so groß, daß auch einige uneingeladen kommen!'', antwortete Felix.

Besser so, als wenn kaum jemand gekommen wäre, dachte Felix. Herr Sonntag und Herr Braggard hätten ihre Genugtuung gehabt, wenn die Veranstaltung mangels Interesse ausgefallen wäre. Sie waren skeptisch eingestellt. Braggard, weil mit dieser Veranstaltung das offizielle Ende -- und damit indirekt auch das Scheitern -- seines KDP offiziell bekannt gegeben würde. Keine schöne Situation für Braggard. Wie wird er sich fühlen, wenn Herr Mohler ihm für seine Bemühungen und Erfolge im Rahmen von KDP danken würde und anschließend Felix zum Leiter von TQM ernennen wird. Damit wäre dann klar, daß aller Lob und Dank gegenüber Braggard reine Heuchelei ist. Hilfe um ihm zu helfen das Gesicht zu waren, aber sein Versagen wäre nur all zu ersichtlich, dachte Felix. Sonntag fand es unnötig eine solche Informationsveranstaltung für Interessierte zu veranstalten. Später wäre immer noch Zeit genug, die einzelnen über das sie Betreffende zu informieren. Starrköpfig wollte er nicht einsehen, daß seine Denkweise nicht mehr zeitgemäß sei, sich nicht mit der Kommunikations- und Informationskultur eines modernen Industriebetriebes decke, wie sie von Larry Minger vertreten wird.

--,,Oh Gott, der Berger ist da. Der war garantiert nicht eingeladen worden!'', noch während Malter dies unter vorgehaltener Hand Felix zuflüsterte, begann er seine Liste aufs Neue durchzukämmen, um einen möglichen Irrtum auszuschließen.

--,,Wer ist das? Muß man ihn kennen?''

--,,Sie werden ihnen nachher kennenlernen ... und dann nicht mehr vergessen ... '', raunte er ihm lachend zu, ,,er ist einer der besonderen Hardliner vom Betriebsrat ... der träumt immer noch von der proletarischen Revolution!''

Seine Aufregung konnte er nicht verstehen, bisher hatte er keine Probleme mit dem Betriebsrat gehabt. Ihm gegenüber waren sie immer freundlich gewesen, vielleicht lag es auch nur daran, daß er bisher noch recht wenig Berührungen mit ihnen gehabt hatte. Noch nicht! Denn er sollte sich ja mit ihnen auseinandersetzen, wie es ihm Herr Mohler schon mehrfach empfohlen hatte, um zu vermeiden, daß sie später der ganzen Entwicklung negativ gegenüberständen.

Eine Störung von TQM wollte sich Felix keinesfalls einhandeln, jetzt wo er der offizielle Leiter war. Im gewissen Sinne war er ja auch schon vorher federführend gewesen. Braggard war doch schon seit einiger Zeit kaltgestellt. Es hatte aber nicht an ihm gelegen, beruhigte Felix sein Gewissen. Ganz ohne sein Zutun hatte sich Mohler immer wieder direkt an ihn und nicht an Braggard gewendet. Und außerdem war es ja auch nicht seine Schuld, wenn Braggard sich nicht aus alten überholten Denkstrukturen lösen konnte. Aber warum benahm sich Wiedenkamp plötzlich wieder so kühl gegenüber ihm.

--,,Meistens trügt halt doch nicht der erste Eindruck!'', hatte er mehrdeutig vor ein paar Tagen im Aufenthaltsraum gesagt. Er hatte sich mit Raffaella unterhalten, aber Felix spürte sofort, daß es gegen ihn gerichtet war, und erinnerte sich sofort wieder, wie es wohl von Dr. Wiedenkamp auch gewünscht war, an ihren Abend im Felsenkeller.

--,,Wie ich schon sagte: Wie man sich verkauft ist alles!'', sagte Wiedenkamp zu Raffaella, die verlegen lächelte und wohl an ihre Unterhaltung mit Heinz dachte, die sie damals im Auto geführt hatten, als er sie nach Hause gefahren hatte.



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