--,,Hat er Dir eigentlich gesagt, was er heute in der Firma machen will?'', fragt Felix.
Was erwartete er eigentlich als Antwort? Ja klar, er treffe sich dort mit Herrn Weinhold, und, was sonst würde sie sagen, aber sie sagte nur:
--,,Du solltest doch besser Bescheid wissen, was bei Euch in der Firma gerade aktuell ist!''
Ja, es schien, als wäre er nun besser informiert als sie. Hatte sie überhaupt eine Ahnung von dem, was ihr Mann dort trieb? Er durfte nicht mit ihr darüber sprechen, auch wenn er es noch so gerne wollte.
--,,Was ist eigentlich los mit ihr!'', fragt ihn Dominique, als sie sich kurz aufrichtete, um ihm in die Augen zu schauen.
--,,Heute ist einfach einer von diesen Tagen, ...ich glaub' der Nebel, so ganz alleine in der Firma, alles sind mir aufs Gemüt geschlagen!'', sagte er, und dachte, daß es ja nicht ganz falsch sei. Es ging ja schon früh morgens los mit dem Musikstück im Radio. Von Anfang an war er ja gewissermaßen in einer depressiven Grundstimmung gewesen. So, wie er es normalerweise gar nicht gewohnt war.
Dann legt sie wieder ihren Kopf auf seine haarlose Brust, und ihre Hand kreist über seinen Bauch, spielt mit seinem großen Nabel und ihre Finger gleiten durch seine Schamhaare, zieht leicht an ihnen mit zusammengepreßten Fingern, ohne sein nun schlaffes Glied zu berühren.
--,,Was gibt es?'', hatte sie ihn gefragt, kurz nachdem er zu ihr gekommen war. Er hatte an der Fensterwand gestanden und in den Garten gestarrt.
--,,Du schaust so betrübt aus!'', hatte sie auf sein verdutztes Wieso geantwortet.
Wieso, als könne er nicht glauben, daß man ihm seine Stimmung ansieht. Aber dann war ihm doch sofort klar, daß seine tiefe Erschütterung, sich auch in seinen Gesichtszügen zeigen mußte. Weiß die Bäume im Raureif und hinter ihnen nur dichter grauer Nebel. Die grüne Plane über dem Swimmingpool war voller Laub und kleiner Zweige. Überbleibsel des letzten Sturmes. Er war zu ihr geeilt, hoffnungsvoll, den Zauber des Sommers noch immer im Kopf, denn seit dem Sommer war er ja nicht mehr in ihrem Haus gewesen. Sie waren allein, keine Haushaltshilfen, keine anderen Gäste und die Stille irritierte ihn. Ob sie nicht vielleicht ein wenig Musik auflegen könnte, hatte er Dominique gebeten. Ihr Lied, Hôtel Normandy, und der Sommer war wieder da, aber der blaßegrüne Rasen und die kahlen Bäume widersprachen, sie sangen den Blues des Verflossenen, vom Exodus der Touristen. ,,Il restera de nos amours ... une chambre mauve au petit jour ... et des mots que tu m'avais dits ... Hôtel Normandy ...'
--,,Chèrie, ich habe dich nicht gerufen, um eine triste Mine zu machen! Ich wollte eigentlich, daß du mich un peu aufmunterst.'', hatte Dominique gesagt und umschlang ihn von hinten. ,,Jetzt essen wir erst mal und dann werden wir mal sehen!''
Scheinbar kam die depressive Stimmung aus dem Magen, dachte er, während er die ersten Tomaten und Mozarella Stücke aß. Vielleicht hatte er wirklich nur zuwenig gefrühstückt gehabt. Es war zu früh gewesen, eine ungewohnte Zeit für seinen Magen. Genüßlich zerdrückte er ein Stück Mozarella zwischen Zunge und Gaumen.
--,,Schmeckt vorzüglich!'', und Dominique dankte ihm für die Bemerkung und seine nun zufriedene Miene mit einem breiten Lächeln.
--,,Der Vinaigre. Ich habe extra welchen aus Frankreich, den kriegt man hier gar nicht!''
Immer noch barfuß, im ockerfarbenen Flußsand, die Zehen im seichten Wasser, die Hosenbeine hochgekrämpelt, hinter ihm die Spur aus dem Wald nackte Füße, und nirgendwo stehen Schuhe. Freier Oberkörper, muskulös und sonnengebräunt. Der junge Mann im langen blondgelockten Haar schaut indifferent zum anderen Flußufer. Vor ihm sein in den Wogen zerfleddertes Spiegelbild. Möglicherweise schaut er zu dem Mann im Anzug und Lackschuhen auf dem Steg auf der anderen Seite. Der Fluß schillert in vielen Farben, hier und da glaubt man Bilder zu sehen. Der graumelierte Herr lächelt aufmunternd. Will der Junge man zu ihm auf seine Seite? Wie könnte er es überhaupt bewerkstellen? Der Fluß ist breit und sicherlich auch tief. ,,Opferung am Fluß''.
Dominique war seinen Blicken gefolgt:
--,,Das ist Berties Lieblingsbild! ...Ein Frühwerk von Bertram, als er noch gegenständlich gemalt hatte! Hat er eigens für Bertie gemalt! Ein Geschenk für seinen fünfzigsten Geburtstag.''
Die Pfarrgemeinde hätte dieses Bild einmal als Grundlage zu einer Meditation genommen. Sohn und Vater? Getrennt durch den Strom. Der Sohn, ein Mensch, oder gar der Menschensohn, auf dem Weg zum Vater, Gottvater, in modernem Gewande. Getrennt durch einen Fluß, den Fluß des Lebens. Was er von dieser Interpretation halte, ob das seine Idee gewesen sei beim Malen, hatte Dominique Bertram einmal gefragt. Aber Bertram habe sich geweigert dieses Bild, wie auch seine anderen Bilder zu interpretieren. Jedenfalls wurde ,,Opferung am Fluß'', wo vor allem wegen des möglicherweise irreführenden Titel, zu Wegners religiösem Werk gezählt.
--,,Jedes Werk steht für sich selbst. Und wie ein Kind, wenn es volljährig geworden ist, geht es nach seiner Fertigstellung seine eigenen Wege!'', hatte Bertram einmal zu Dominique gesagt, und ein anderes Mal hatte er gesagt: ,,Könnte man meine Bilder nur durch erläuternde Worte von mir verstehen, dann hätte ich was falsch gemacht, dann wäre ich wohl besser Schriftsteller geworden. ''
--,,Das ist doch Blasphemie, diesen wollüstigen Geschäftsmann mit Gott gleichzusetzen. Ich denke, der ist geil auf diesen Jüngling!''
--,,Oh la la, so sarkastisch kenne ich dich ja gar nicht und außerdem sag' sowas nicht zu meinem Mann, denn Wegener hat einmal gesagt, daß Bertie für dieses Bild gewissermaßen Modell gestanden hätte!''
--,,Oh, das wußte ich nicht!'', hatte er erschrocken gesagt, aber fügte dennoch hinzu, als er bemerkt hatte, daß sie seine Bemerkung gar nicht mißbilligte, ja sie ihr anscheinend sogar gefallen hatte ,,Und der Adonis ist wohl der Künstler selber!''
Sie selbst möge diese Bilder gar nicht so sehr, aber Bertie sei von ihnen begeistert, ebenso wie vom Künstler selbst. Felix glaubte einen deutlichen mißbilligenden Ton herauszuhören. Die Kritiker redeten immer vom homoerotischen Aspekt in Wegeners Werk, klänge doch gut, aber Wegener sei schwul, und in seinen Bildern erkenne man die Verachtung für die, die ihn gewisermaßen zur Hure gemacht haben. Im Namen der Kunst. Dann war sie in der Küche verschwunden, um nach den Pizzas zu schauen, und danach hatte er nicht mehr weiter gefragt.
Nun geht es ihm besser, denkt er. Im Bett, entspannt, Domiques Kopf auf seiner Brust, Gesicht Richtung Bauch gewand, neben dem Bett ein Papiertaschentuch, naß von seinem Sperma. Wie der Vollmond lugt die Sonne durch den Nebel. Vielleicht würde sie es ja noch schaffen vollends durchzustoßen. Er hat keine Lust mehr ins Büro zurückzukehren. Überhaupt keine Lust mehr, nicht nur an diesem Samstag, denn Mohlers Büro war wieder aufgetaucht in seinen Gedanken. Wenn er wenigstens mit Dominique darüber reden könnte, was er im Büro ihres Mannes gesehen hatte. Vielleicht wußte sie ja eh Bescheid?
--,,Dominique, was ich dich mal fragen wollte.'', startet Felix umständlich, ,,Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt, du und dein Mann?''
Wie er denn jetzt darauf komme, fragt sie ihn, nun neben ihm auf der Seite liegend und ihren Kopf auf ihren Ellbogen gestützt. Dann erzählt sie ihm ihre Geschichte, sie hatten ja Zeit, denn ihr Mann hatte ihr ja zuvor gesagt telefonisch mitgeteilt, daß er erst gegen Abend nach Hause zurückkäme.