Wenn es ein Wunder war, wie sie dachte, dann war es schon Tage vorher eingeleitet worden. Nils, ihr Patenkind, war der Vater des Wunders gewesen, am Sonntag vorher bei seiner Feier zum vierten Geburtstag. Nils, der ständig an ihrem Orangensaft getrunken hatte, der die Plätzchen abgelutscht und angeknabbert hatte. Nils und seinen Eltern war es schlecht gegangen in der Nacht nach der Feier. All das, was er im Laufe des Tages gegessen und genascht hatte, kam im Laufe der Nacht wieder zum Vorschein, wohl verteilt über die Nacht in mehreren Schüben, so daß seine Eltern und er eine ziemlich schlaflose Nacht verbracht hatten. Dann brauchten sie zwei Tage die Viren oder Bakterien, um sich in ihrem Magen- und ihren Gedärmen einzunisten, die Oberhand über die Abwehrkörper zu gewinnen. Simone verfluchte nur die Pizza vom Abend zuvor. Versteinert in ihrem Bauch hatte sie ihr eine schlaflose Nacht gebracht.
Veras Wunder, Simones Inferno. Pizza Vesuvio, und plötzlich war es soweit, der Ausbruch stand bevor. Keine Gedanken mehr für all die Wartenden, nur weg, schnell weg zur unendlich fernen Toilette. So hatte Vera sie noch nie gesehen: So schnell rennend und so blaß. Erstaunen und Unverständnis unter den Wartenden, aber nur wenige, und nur die ganz hinte wechseln zu Vera, und vor allem noch nicht Felix und Rudolf. Sie würde zurückkommen, konnte ja nur kurze Zeit gehen, dann würde alles normal weitergehen, warum sollte man dafür die Schlange wechseln, all das Warten wäre umsonst gewesen, ganz hinten, in einer noch längeren Reihe anstellen. Nein, da wollten sie lieber ausharren, bis sie wiederkäme und weitermachte, dachten wohl die meisten.
Mit verschwitzten Haaren, leichenblaß, kam sie wieder, flüsterte etwas zu Vera und verschwand wieder. Vera's ,,Wenn sie sich dann bitte hier hier anstellen könnten! Meine Kollegin ist leider krank!'' war dann das Ende für die Hoffnung der Wartenden, und neuer Mut für Vera. nun mußte er zu ihr.
--,,Sie brauchen dringend einen neuen Ausweis, ihrer ist ja fast nicht mehr lesbar!'', sagt Vera, wie schon tausendmal geprobt, als Felix und Chris endlich bei ihr angelangt sind. Nur noch ein paar Leute hinter ihm. Die meisten waren schon gegangen, und es waren keine neuen mehr dazugekommen, die Türen waren offiziell geschlossen.
--,,Es schon okay, mir langt's noch. Ich kann alles lesen!'', sagte Felix.
--,,Ähm -- ich meine -- vor allem -- nicht wegen Ihnen -- sondern der Barcode -- schauen sie -- der hat Probleme'', sie strich mit dem Lesestrich über den Code auf der Karte, aber alles war okay , ,,auf jeden Fall es könnte leicht -- da kann es leicht zu --'', sie stockte, als sie sah, wie Chris lachend etwas in Felix Ohr flüsterte, und Felix auch verhalten schmunzelte.
--,,Wenn Sie noch ein wenig warten --'', sie zeigt auf die restlichen Wartenden, ,,kann ich Ihnen sofort einen neuen Ausweis ausstellen!''
--,,Aber ich habe leider keine Zeit mehr, wir wollten nachher noch Tennis spielen gehen.''
--,,Oh ja, Tennis, das würde mir jetzt auch besser gefallen, als hier -- sie könnten den Ausweus natürlich auch hierlassen und dann später abholen!''
Das wäre ihr eh lieber. Irgendwie lief eh alles nicht so, wie sie es wollte. Wenn bloß nicht dieser Typ mitgekommen wäre, dachte sie, während sie Chris kritisch musterte.